3. Fachtagung zur Elternpartizipation 2009

3. Fachtagung zur Elternpartizipation
„Gemeinsam Verantwortung übernehmen – Eltern gestalten kulturelle Vielfalt in der Schule“


Ein Bericht von Birgitta M. Schulte

„’Ganztägig lernen’ – ja, da will ich mich einbringen. Mein Mann ist Spanier, wir haben in Frankreich und Spanien gelebt, da sind Ganztagsbetreuung und Ganztagsschule eine Selbstverständlichkeit. So muss es auch in Deutschland werden!“ Wiebke Feuerhake, Personalentwicklerin, lebt erst seit kurzem wieder in ihrem Heimatland. Ihre älteste Tochter wurde gerade eingeschult, jetzt ist die Schule auch ein Thema für die Mutter. So opfert sie einen der heiligen Samstage und besucht die dritte Fachtagung, die das Hessische Kultusministerium und der Landeselternbeirat von Hessen gemeinsam im Schuldorf Bergstraße in Seeheim-Jugenheim veranstalten.

Die familienunfreundliche Betriebs- und Schulkultur in Deutschland weckt in Wiebke Feuerhake die Bereitschaft zum Engagement. Als Mitglied eines globalisierten Unternehmens ist sie anderes gewohnt. Dieser „internationale Hintergrund“ verbindet sie mit Ellena de la Mar, Tochter einer Italienerin und eines Deutschen mit ungarischen Vorfahren. Ihr Mann ist Niederländer. Auch sie hat im Ausland gelebt. Dort identifizieren sich Eltern mit der Schule ihrer Kinder. Das ist ganz anders als in Deutschland, wo Eltern ihre Kinder oft „abgeben“ an die Schule.

Der Elternbeirat des Schuldorfs Bergstraße:
Greenteam und Cleanteam

Ellena de la Mar aber fühlt sich als Teil der Schulgemeinde. „Wir wollen mit den Lehrenden zusammenarbeiten, wir sehen den Auftrag als einen gemeinsamen an“, sagt die Erste Vorsitzende des Elternbeirats des Schuldorfs Bergstraße. Der hat ein agiles Netzwerk aufgebaut, die Eltern treffen sich regelmäßig und tauschen sich aus. Sonst könnten sie gar nicht den Überblick behalten über die kooperierenden Schulen mit ihren insgesamt 2002 Schülerinnen und Schülern. So aber können sie den Lehrkräften die Augen öffnen. „Das ist manchmal notwendig“, sagt Ellena de la Mar. Die Eltern bringen sich ein in die Schulentwicklungsgruppe, in die Schulkonferenz, in die Hauptschulgruppe. Sie agieren als Lesepaten, Busbeauftragte und im ehemaligen Schulgarten, dem Abenteuer-Spielgarten. Zum „Greenteam“ ist gerade das „Cleanteam“ dazu gekommen, die Sauberkeit der Toiletten ist halt ein drängendes Thema.
Ellena de la Mar sagt es augenzwinkernd. Nicht immer ist die Mitarbeit in der Schule so erfüllend wie beim Schulfest, wo alle sich gefreut haben und alle – Kinder wie Erwachsene – es schade fanden, dass es vorbei war.

Gastgeber Schuldorf:
Gemeinsinn, Offenheit, Partizipation


Das Schuldorf ist tatsächlich ein Lebensort, eine Heimat. Der bleiben viele treu, in einem der drei Fördervereine sind lauter Ehemalige versammelt. Und auch Ellena de la Mar schöpft die Begeisterung, mit der sie mitreißt, aus der Erinnerung an ihre lebendige Schulzeit.
Im Schuldorf weht ein besonderer Geist und das hat mit seiner Gründung zu tun. Mit dem Ziel der „Re-Education“ wurde es 1954 nach dem Vorbild amerikanischer „Community-Schools“ gegründet. “Gemeinsinn, Offenheit, Partizipation sind Gedanken, die dieser Schule in die Wiege gelegt wurden“, sagt Ronald Seffrin, der Schulleiter des Schuldorfs Bergstraße. So ist es kein Zufall, dass es gastgebende Umgebung für den Fachtag zur Elternpartizipation von Kultusministerium und Landeselternbeirat wurde, dem dritten in einer Reihe.

Mit ELAN
Eltern Schulen Aktive Eltern


Schon im Dezember 2001 wurde mit der Unterzeichung der „Wiesbadener Erklärung“ durch die damalige Kultusministerin Karin Wolff und die damalige Vorsitzende des Beirats Sybille Goldacker dem Willen zur gemeinsamen Erziehungsverantwortung Ausdruck gegeben. Sechs Jahre vergingen, in denen engagierte Eltern die Idee einer Elternfortbildung durch Multiplikatorenschulung mit „ELAN“ (Eltern Schulen Aktive Eltern) vorantrieben, bis endlich eine Vereinbarung für ein Kooperationsprojekt unterzeichnet wurde. Zum 1. August 2008 wurden schließlich die Mittel zur Verfügung gestellt. „Es war atemberaubend, wie viele Interessierte sich für die Schulung gemeldet haben“, sagt Elisabeth Mudersbach, die das Projekt „Einführung und Weiterentwicklung von Erziehungsvereinbarungen“ koordiniert. „ELAN“ ist ein Teilbereich des Gesamtprojektes. „2009 führen wir zwei Schulungen durch. Am Jahresende werden es dann 70 MultiplikatorInnen sein, die in Abendveranstaltungen anderen Eltern vermitteln, was sie als Elternbeiräte in Bezug auf Elternrecht und Erziehungsverantwortung wissen sollten, wie Elternabende spannend werden und wie Eltern sich in die Schulentwicklung einbringen können. An solchen Seminaren sollten immer etwa 25 Personen teilnehmen, so dass der Schneeball weiterrollt.“
„Es geht darum Mut zu machen, damit Hemmschwellen leichter überwunden werden“, sagt Michael Kuntze, Leiter der Abteilung 4 im Hessischen Kultusministerium. Denn es sei zu beobachten, dass „Erziehung“ wieder mehr in den Mittelpunkt des Gesprächs über Bildung rückt.

Für den Eltern- und Kommunikationsberater Jan-Uwe Rogge gehört sie auch genau dahin. Was Kinder für die Zukunft in der globalisierten Welt benötigen, ist viel weniger Wissen als allseitige und eben auch Herzens-Bildung. Deshalb brauchen sie nicht den Lehrer, der ihren Kopf wie einen leeren Topf füllt, sondern den Gärtner, der hegt und pflegt und jedem einzelnen Pflänzchen gute Wachstumsbedingungen schafft. „Kinder brauchen Persönlichkeiten, nicht Perfektionisten, Techniker.“

„Erziehung ist Begleitung in das Leben,
nicht Vorbereitung auf das Leben.“


Jan-Uwe Rogge bringt Lehrende und Eltern im Publikum zum Lachen. Sie lachen laut und gern, denn viele fühlen sich ertappt. Lachend kann man leichter in den Spiegel schauen. Sie selbst haben es ja missverstanden und geglaubt, Erziehung sei Vorbereitung auf das Leben. Nein, ruft ihnen Jan-Uwe Rogge zu, „Erziehung ist Begleitung in das Leben! Nicht: nach vorne schauen! Bei dem Kind bleiben!“ Der Elternberater zitiert ein afrikanisches Sprichwort „Wenn du am Grashalm ziehst, ziehst du die Wurzel heraus.“ Kann schon sein, dass ihnen das passiert ist. Die Sorge um die Berufszukunft ihrer Kinder bringt viele zu Gedanken an „Machbarkeit, Perfektionismus, zum Rezeptgedanken“.
Jan-Uwe Rogge spricht zu den Engagierten. Es ist ein überwiegend deutsches Publikum, aber Eltern mit Migrationshintergrund sind ebenfalls zu finden. Wie auch sie einbezogen werden können, darum kreisen am Nachmittag die Workshops. Lehrerinnen suchen Hilfe. Es wirkt sich auf den Unterricht aus, wenn sie nicht mit den Eltern sprechen können, wenn sie nicht berichten können, dass das Kind durch langes Fernsehen zu müde ist fürs Lernen. Im Workshop sprechen die, die ein gutes Beispiel geben können.
Zum Beispiel Schulleiterin Eva Neitzke von der Adolf-Reichwein-Schule in Frankfurt-Zeilsheim. 1999 wurde die Grundschule für ihre gute Elternarbeit ausgezeichnet. Sie konnte sich aber nicht auf dem Lorbeer ausruhen. Mittelschichtfamilien zogen weg, bildungsferne ausländische Familien kamen neu in den Stadtteil. So entwickelte das Kollegium neue Ideen. Der erste Elternabend z.B. wird gemeinsam mit den Kindertagesstätten vorbereitet und findet vor der Einschulung statt. Jede Kita ist dann durch eine Mitarbeiterin vertreten. Die Eltern fühlen sich durch die Anwesenheit ihrer bisherigen Bezugspersonen sicher, äußern sich offener und stellen beherzter Fragen. Wenn die Eltern dabei erleben, dass die Lehrerinnen ihnen mit ihrer ganzen Person und nicht nur als Professionelle gegenübertreten, dann entspinnt sich ein echtes Gespräch. „Es muss ein Gegenseitig-Geben sein“, sagt Eva Neitzke.

Vermittlung gelungener Beispiele
„Die Serviceagentur ist wie eine Bühne.“


Es sind solche guten Beispiele, die die Serviceagentur "Ganztägig Lernen" Hessen sucht. Wenn die Kinder auch am Nachmittag in der Schule bleiben, sind Transparenz und gute Kommunikation besonders notwendig“, sagt Abena Bernasko, Beauftragte für Partizipation und Diversity Management. Wenn eine Schule Ganztagsschule werden will, sollten Eltern von Anfang an einbezogen werden. Oft kommt von ihrer Seite Hilfe bei der Mittagsbetreuung oder eine Bereicherung für das Nachmittagsangebot. Ihr Interesse, die Schule „richtiger“ zu machen für das eigene Kind, bezieht aber auch Unterricht und Schulentwicklung mit ein. „Dazu brauchen Eltern Fortbildung,“ sagt Abena Bernasko, „Deshalb vermittele ich Kontakte. Die Serviceagentur ist da wie eine Bühne.“
Sie stellt aus, woran sich andere orientieren können. Der Schillerschule in Offenbach hat sie ihre Anerkennung ausgesprochen und zur „Referenzschule“ gemacht. Die Gesamtschule hat wie keine andere Schule in Hessen ein ausgefeiltes Konzept der Elternpartizipation entwickelt. Sie lebt davon, dass sich immer wieder neue Eltern in bestehende oder neu zu gründende Arbeitsgruppen einbringen. Das ist auch für andere Schulen wichtig. So hat sich ein Mitglied des Schulelternbeirats der Schillerschule zur Multiplikatorin ausbilden lassen. Mit „ELAN“ ist Ulrike Balk über die eigene Schule hinaus auch in der Region aktiv. „Viele erreichen viel!“

Diese Veranstaltung wurde durchgeführt vom hessischen Kultusministerium und dem Landeselternbeirat von Hessen in Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt Darmstadt-Dieburg.

Autorin: Birgitta M. Schule
Fotos: Andre Hirtz
Datum: 11.11.2009
© www.hessen.ganztaegig-lernen.de

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