Die Mittagspause an Ganztagsschulen gestalten

Wie kann im Zuge des voranschreitenden
Ganztagsausbaus der Bedarf nach einer adäquaten und nachhaltigen Schulverpflegung gedeckt werden? Wie muss das schulische Mittagskonzept gestrickt sein, um allen Parteien gerecht zu werden? Mögliche Antworten auf diese Fragen konnten interessierte Kolleginnen und Kollegen bei der Veranstaltung der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen zum Thema „Pausen- / Mittagskonzept und Schulverpflegung an ganztägig arbeitenden Grundschulen“ erhalten, die am 17.10.2018 in der Schloss-Schule-Gräfenhausen stattfand.

Die Schloss-Schule ist eine Grundschule mit Ganztagsklassen im Profil 2 kann bereits auf eine langjährige Ganztagstradition zurückblicken: In Kooperation mit der Stadt Weiterstadt wurde bereits im Schuljahr 2007/2008 ein „langer Tag“ für einen Schülerjahrgang eingeführt. Das Ganztagsprogramm wurde seither stets weiter ausgebaut. Heute gilt die Schloss-Schule Gräfenhausen als Referenzmodell in Sachen Ganztag in der Region, und mittlerweile erhalten alle Schüler ein Betreuungsangebot bis 14.30 Uhr.

Eröffnet wurde der Tag durch Anika Kup, die Leiterin der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Hessen (Hessische Lehrkräfteakademie), die in ihrem Vortrag neue Impulse zum Thema „Gut essen und trinken im Ganztag“ lieferte. Durch die Entwicklung vom reinen Lernraum hin zum Lebensraum wird in Schulen die Auseinandersetzung mit guter Ernährung als Grundlage für gelingendes Lernen immer essentieller. Nach einführenden Informationen zu den Aufgaben und Zielen der Vernetzungsstelle, „ein ausgewogenes, akzeptiertes, nachhaltiges und wirtschaftlich tragfähiges Verpflegungsangebot, eingebunden in ein ganzheitliches Konzept der Ernährungsbildung zu ermöglichen“, wurde der Qualitätsstandard für die Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. vorgestellt und anhand anschaulicher Beispiele erläutert.

Doch auch das beste Verpflegungskonzept nützt nichts, wenn Gemüse und Co am Ende in der Schulkantine den Kampf gegen Pizza und Pommes verlieren. Wie kann also die Akzeptanz von gesunder und ausgewogener Ernährung im Schulalltag erhöht werden? Frau Kup verweist dabei auf den hohen Stellenwert der Partizipationsmöglichkeiten für SchülerInnen, z.B. durch Rückmeldeboxen, Aktionstage und Einbezug der SchülerInnen in die Zubereitung des Essens. Eine weitere Antwort liefert die Idee des sog. „nudging“, zu Deutsch etwa: „sanft stupsen“ bzw. „leicht in die Rippen stoßen, besonders mit dem Ellbogen“ (nach Thaler & Sunstein, 2009). Durch kleine „Nudges“ sollen Kinder und Jugendliche bei der Essensauswahl dazu angeregt werden, sich für die gesunde Alternative zu entscheiden – bewusst oder unbewusst. Dabei helfen kleine Tricks, z.B. indem gesündere Lebensmittel besonders gekennzeichnet werden (grüne Banderole), einen attraktiven Namen tragen („sonnengelber Mais“), besser erreichbar und sichtbar platziert werden oder ein Belohnungssystem eingeführt wird („Obstspieß gratis beim Verzehr eines Gemüseburgers“).

Im nächsten Programmpunkt stellten der Schulleiter Herr Kraft, die Ganztagskoordinatorin Frau Grolman-Roth und die Klassenlehrerin Frau Schleiffer die Entwicklung des Ganztagskonzepts der Schloss-Schule als Weiterstädter Referenzmodell vor, das laut regelmäßiger Evaluation eine breite Zustimmung in der Schulgemeinde findet.

Im Anschluss wurden die TeilnehmerInnen zum Erleben des Mittagsbands eingeladen. Hier erfolgte ein Schulrundgang mit einer Führung der besonderen Art: Ausgewählte SchülerInnen verschiedener Jahrgangsstufen lotsten die interessierten Teilnehmer durch das Gebäude und berichteten aus erster Hand, wie das Pausen- und Mittagskonzept praktisch umgesetzt wird. Neben den Fach- und Klassenräumen sowie dem Pausenhof mit verschiedenen Spiel- und Bewegungsangeboten wurde dabei auch das Herzstück der Schule, das „Schülerrestaurant“, im Hochbetrieb besichtigt und kulinarisch geprüft. Dabei wiesen die jungen ExpertInnen die TeilnehmerInnen zunächst in das Chipsystem ein, anhand dessen man sich entweder für ein Standardgericht oder die vegetarischer Alternative entscheidet. Jedes Kind entscheidet dabei selbstständig, wann es essen will. Und wie stellt die Schule in einem solch selbstverantwortlichen System sicher, dass auch jedes Kind sein Mittagessen eingenommen hat? Zur Kontrolle dient ein Klammerkarte: Wäscheklammer mit dem Schülernamen links bedeutet: „Ich war noch nicht essen.“ Jedes Kind hängt dementsprechend seine Klammer auf die rechte Seite, bevor es sich in die Schlange im Schülerrestaurant einreiht und sich einen Platz zum Essen aussucht. Nach der Mahlzeit wird das Geschirr auf einem bereitgestellten Servierwagen gestapelt und die SchülerInnen entscheiden, ob sie den Rest der Pause bewegt auf dem Schulhof oder in der Sporthalle, lieber ruhig in der für alle zugänglichen Bibliothek, in verbindlichen AGs oder in einem der täglich wechselnden offenen Mittagsangebote verbringen wollen.

So inspiriert und gestärkt ging es im Anschluss für die Kolleginnen und Kollegen weiter mit einem Beitrag zu den „Schulbauleitlinien im Landkreis Darmstadt-Dieburg unter dem Fokus der Mittagsversorgung“. Anja Simon und Holger Gehbauer berichteten aus Sicht der Schulträger über die Voraussetzungen für einen gelingenden Ganztag und die Rahmenbedingungen in ihrem Landkreis.

Frau Simon, Fachbereichsleiterin der Volkshochschule Darmstadt (Bildungsbüro) betonte dabei, wie wichtig es sei, Schule als „Lebensraum“ zu begreifen. Dabei sei es unabdingbar, bei der baulichen Planung und Umsetzung von Schulentwicklungskonzepten zukunftsorientiert vorzugehen und sog. „Möglichkeitsräume“ zu schaffen, die die Optionen beinhalten, auch in 20 – 30 Jahren noch flexibel an veränderte Rahmenbedingungen, die mit dem strukturellen und gesellschaftlichen Wandel einhergehen, angepasst zu werden. Ziel sei es, den heterogenen Anforderungen verschiedenster Bildungseinrichtungen durch ein Schulbauleitlinienkonzept nach dem Prinzip „form follows function“ gerecht zu werden, die den Bedürfnissen aller Akteure der Schullandschaft Rechnung tragen.

In seinem Beitrag zum „Mensakonzept 2025 im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ betonte Herr Gehbauer vom Da-Di-Werk, wie wichtig die Abkehr vom althergebrachten Raumkonzept hin zu einem neuen Verständnis von Raum als „Fläche“ sei.  So müssen multifunktionale Gemeinschaftsflächen als „Herz der Schule“ begriffen und als fester Bestandteil in den Schulbauleitlinien verankert werden – so auch die Mensa. Auch in puncto Mittagsverpflegung sieht Gehbauer im Zuge des Ganztagsschulausbaus einen immensen Entwicklungsbedarf: So sieht das Mensakonzept 2025 im Landkreis den Bau von 3 bis 4 standortnahen Großküchen vor, die die Schulen auf schnellstem Weg mit qualitätsgeprüfter, regionaler und ausgewogener Kost beliefern, ohne die CO2-Bilanz und die Qualität des Essens durch lange Transportwege unnötig zu strapazieren. Einige Komponenten, wie z.B. Nudelbeilagen, sollen direkt vor Ort zubereitet werden können. Diese Kombination von Selbstkochen und Essenslieferung sei preisbewusst und bestens dafür geeignet, die Zahl der künftig benötigten 10 000 Essen allein für die Schulen zu bewerkstelligen, die wohl noch um die Bedarfe in anderen Bildungseinrichtungen ergänzt wird.

Als weiterer Referent war der Architekt Sascha Buurmann geladen, der über die „Herausforderungen im modernen Mensabau“ berichtete und dazu anregte, neue architektonische Wege einzuschlagen, um Räume multifunktionell und zu nutzen. So soll die Schulmensa durch ein mobiles Raumkonzept nicht nur der Mittagsverpflegung dienen, sondern auch als Ort für ein offenes Frühstücksangebot, als Aula, Lern- und Arbeitsort und als Aufenthaltsbereich für Schülergruppen zugänglich gemacht. Zudem sei es wichtig, Schulflächen auch der städtischen Öffentlichkeit außerhalb der Schulzeiten zur Verfügung zu stellen, sodass eine optimale Auslastung erreicht werden kann. Buurmann betont dabei, dass für eine optimalen bauliche Umsetzung eine konzeptionelle Grundlage wichtig ist, an der alle Beteiligten, also SchülerInnen, PädagogInnen und Schulträger gleichermaßen, mitarbeiten können. Auch solle das Thema Nachhaltigkeit im Zuge von Projektarbeiten im Schulleben aufgegriffen werden, um ein Bewusstsein für die Wertschätzung von Lebensmitteln zu schaffen. Vielleicht könne man so vermeiden, dass wie bisher 45% aller Lebensmittel, die in deutschen Mensen über die Theke gehen, in den Müll wandern.


Zur Veranstaltung "Pausen- und Mittagskonzepte für ganztägig arbeitende Grundschulen" am 17. Oktober 2018

Im Auftrag © www.hessen.ganztaegig-lernen.de

Autorin: Anja Jungbauer
Datum: 01.11.18