In der Steuergruppe für ganztägig arbeitende Schulen im Kreis Bergstraße ziehen verschiedene Institutionen an einem Strang
Ein Bericht von Barbara Zeizinger
Es ist ein Dienstagnachmittag im November 2012. Pünktlich um 14.00 Uhr trifft sich die Steuerungsgruppe der Ganztägig arbeitenden Schulen im Kreis Bergstraße in Viernheim. Gastgeber mit Kaffee und Brezeln ist dieses Mal Bernhard Finkbeiner, der in seine Arbeitsstätte „Treff am Bahnhof“ eingeladen hat. Denn als Leiter der Viernheimer Jugendförderung vertritt er eine der Institutionen, aus denen diese Steuerungsgruppe besteht. Ein weiteres wichtiges Mitglied ist die Schulabteilung des Kreises Bergstraße. Sie wird von deren Leiterin Claudia Blume sowie ihren Mitarbeiterinnen Daniela Kummer und Priska Dingeldey vertreten. Dezernent Bernd Rippert und Fachberaterin für Ganztagsschulen Irmgard Gottmann bringen die Perspektive des Staatlichen Schulamtes (BOW) mit ein, während Renate Dörr vom Jugendamt des Kreises Bergstraße auf ihre Erfahrungen aus der Jugendhilfe zurückgreifen kann. Michael Schmitt, ein Mitarbeiter der hessischen Serviceagentur „Ganztägig lernen“, ist hingegen dafür zuständig, die Steuergruppe über hessen- und bundesweite Entwicklungen im Bereich Ganztagsschule zu informieren sowie ExpertInnen zu Veranstaltungen einzuladen und generell die Unterstützung der Serviceagentur anzubieten.
„Neuigkeiten/Aktuelles aus den einzelnen Bereichen (Schulabteilung, Jugendamt, SSA, Serviceagentur, Stadt Viernheim etc.)“, heißt es unter Tagesordnungspunkt 3 des aktuellen Treffens. Alle berichten aus ihren Arbeitsfeldern und somit hat die Steuerungsgruppe die Möglichkeit verschiedene Aufgabenbereiche und Blickwinkel wahrzunehmen. Da ist es kein Wunder, dass alle Beteiligten die Mehrperspektivität hervorheben, die die Teilnehmer/innen in die Arbeit der Steuerungsgruppe einfließen lassen. Dieses multiprofessionelle Auftreten bei Veranstaltungen mit Schulen und Kooperationspartnern bleibt nicht ohne Wirkung. „Auf Seiten der außerschulischen Partner findet ein Umdenken statt. Schule wird nicht mehr als Widersacher begriffen“, stellt Bernhard Finkbeiner fest.
Genese
Initiatorin dieser erfolgreichen Zusammenarbeit ist Claudia Blume. Schon 2008, als im Rahmen des Schulentwicklungsplans der Schulträger entscheiden musste, welche Schulen in das Ganztagsprogramm des Hessischen Kultusministeriums aufgenommen werden sollen, hatte sie die Idee eine Steuerungsgruppe zu gründen. In ihr sollten Fachleute pädagogisches Wissen zusammenführen und gerechte Aufnahmekriterien entwickeln. Gleichzeitig stellte sie bei mehreren Treffen mit Schulen fest, dass diese bei der Umstellung zu einem Ganztagsbetrieb Hilfe benötigten, aber wenig miteinander über ihre Probleme kommunizierten. Daher wollte sie ein Forum schaffen, in dem Schulen sich und ihre Arbeit vorstellen konnten.
Selbstverständnis
Schulen mussten sich öffnen „für eine neue zeitliche, inhaltliche, personelle und räumliche Gestaltung des schulischen Alltags. Seit 2008 werden die ganztägig arbeitenden Schulen im Kreis Bergstraße (GTA Schulen) bei der Gestaltung ihrer ganztägigen Angebote von der Steuerungsgruppe GTA unterstützt.“
Diese Sätze stehen in einem Papier, in dem die Steuerungsgruppe ihr Selbstverständnis formuliert hat. Was sie mit ihrer Arbeit erreichen will, liest sich so: „Die Zielsetzung der Steuerungsgruppe ist es, die GTA Schulen im Kreis Bergstraße bestmöglich bei der Organisation und Umsetzung der Bildungs- und Betreuungsangebote zu unterstützen. Sie entwickelt ihre Ideen, Vorschläge und Maßnahmen hierzu in enger Abstimmung mit den Schulen, den Kooperationspartnern und den Kommunen und verfolgt damit den Ansatz, möglichst bedarfsgerecht zu handeln und alle Akteure der ganztägigen Angebote mit in die Arbeit einzubeziehen.“
Konkrete Arbeit mit Schulen und Partnern
Um diese Ziele zu erreichen, entwickelte die Steuerungsgruppe verschiedene Formate. Es gab Treffen mit Vorträgen und Praxisbeispielen zu wichtigen Ganztagsthemen wie beispielsweise Rhythmisierung oder Bewegte Schule. In Workshops beschäftigten sich Schulen mit konzeptionellen Standards für Ganztagsangebote oder für eine GTA-Weiterentwicklung ab Klasse 7. In der Alexander-von-Humboldt-Schule in Viernheim fand im November 2010 eine große Tagung statt, bei der sich Schulen und außerschulische Partner zwei Tage lang mit Gelingensbedingungen von Kooperationen beschäftigten.
Das Herzstück der schulischen Vernetzung sind aber die halbjährlichen Erfahrungsaustausche, die jeweils an einer anderen Schule stattfinden. Nachdem vorher Themenwünsche abgefragt werden, können sich Schulleitungsmitglieder und KoordinatorInnen bei den Treffen in meist schulformbezogenen Gesprächsrunden über ihre Entwicklung austauschen. Anhand von konkreten Beispielen stellen die Teilnehmer/innen dar, welche Modelle gut funktionieren und wo es Probleme gibt. Die Arbeitsgruppen werden von je einem Mitglied der Steuerungsgruppe moderiert und schriftlich zusammengefasst. Dadurch ist gewährleistet, dass die Ergebnisse beim nächsten Treffen der Steuerungsgruppe wieder aufgegriffen und in eine zukünftige Tagesordnung eingearbeitet werden.
„Dadurch werden die Schulen eingebunden“, sagt Irmgard Gottmann. Auch Michael Schmitt von der Serviceagentur ist voll des Lobes über diese Treffen. „Für die Schulen ist es sehr gut, dass alle Ansprechpartner vor Ort sind und sie von der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen profitieren.“ Bemerkenswert und ziemlich einmalig findet er, dass die Steuerungsgruppe von Schulträgerseite initiiert wurde und eine besonders gute Zusammenarbeit zwischen Schulträger und Staatlichem Schulamt besteht.
Diese ist umso wichtiger, da es bei den Treffen auch immer ein Zeitfenster gibt, in dem Fragen und Wünsche formuliert werden können, für die unterschiedliche Ansprechpersonen zuständig sind.
Auch für Fachberaterin Irmgard Gottmann ist es wichtig, in der Steuerungsgruppe gemeinsam zu überlegen, wo Handlungsbedarf besteht. Sie findet es gut, dass es einen Ort gibt, in dem man gemeinsam Zeiten und Strukturen besprechen kann. Dadurch gelingt es, Schulen rechtzeitig über Ausschreibungen und Antragstellungen zu informieren.
Gerade vor den Anforderungen der Qualitätsstandards und deren Evaluation ist diese Zusammenarbeit wichtig. So gab es auf Initiative der Steuerungsgruppe zwei Schulleiterdienstversammlungen, auf denen über die neuen Richtlinien informiert wurde.
Erfolge und Projekte
Als größten Erfolg der bisher vierjährigen Arbeit nennt Claudia Blume die institutionalisierte Kultur des Austausches der Mitglieder der Steuerungsgruppe sowie die erfolgreiche Kommunikation mit den Schulen. Dort entstehen inzwischen verbindliche Strukturen. Das heißt, es gibt SchulkoordinatorInnen für den Ganztagsbereich, so dass an den Treffen auch immer dieselben Personen teilnehmen und die Steuerungsgruppe ihrerseits feste Ansprechpseronen hat.
Auch das neue Projekt der Steuerungsgruppe erscheint sehr ambitioniert. Jedes Mitglied verfasst aus seiner Sicht Überlegungen zu Gelingensbedingungen für gute Kooperationen. Daraus sollen dann „Handreichungen für Kooperationen“ entstehen, welche die unterschiedlichen Erwartungen und Sichtweisen der verschiedenen Institutionen darlegen.
Mit ihrer Vernetzung unterstützt die Steuerungsgruppe die Bemühungen des Kreises und der Kommunen, eine größere Bildungslandschaft entstehen zu lassen. So ist es nur folgerichtig, dass sie sich auch zusammen mit Viernheim, Bürstadt und dem Kreis Bergstraße an dem Zukunftsprojekt der Deutschen Kinder und Jugendstiftung „Aufschwung für frühe Chancen“ beteiligt hat, um in einer Arbeitsgruppe mit Grundschulen über ein verlässliches integriertes Konzept für Bildung und Betreuung in der Primarstufe nachzudenken.
Ziel der Steuergruppe ist es, ihre Erfahrungen und ihr Konzept über den Kreis Bergstraße hinaus umzusetzen. Da zu dem Staatlichen Schulamt BOW auch der Odenwaldkreis gehört, bot es sich natürlich an, den Blick dorthin zu lenken und den dortigen Schulträger bei Veranstaltungen mit ins Boot zu nehmen.
Viermal trifft sich die Steuerungsgruppe im Jahr, wobei immer ein anderes Mitglied zu dem Treffen einlädt. So besuchen die Teilnehmer/innen außer dem Treff am Bahnhof auch das Staatliche Schulamt in Heppenheim, das Landrats- und Sozialamt in Heppenheim oder, wenn die Serviceagentur einlädt, fahren sie sogar nach Frankfurt.
„Es macht richtig Spaß“, sagt Frau Blume und niemand widerspricht.
Autorin: Barbara Zeizinger
Datum: 7. Januar 2013
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