"SchubS" für den Ganztag an Grundschulen

Ein Bericht von Jacqueline Engelke

Die einen arbeiten vorwiegend am Vormittag mit den Kindern, die anderen am Nachmittag, doch alle Beteiligten müssen miteinander kommunizieren und sich abstimmen. In einer Schule mit Ganztagsangeboten müssen die Aktivitäten aller Akteure koordiniert werden, um die Kinder optimal zu fördern. Um diesen Prozess zu unterstützen, Konzepte zu erstellen und an der Qualität der Ganztagsangebote mitzuarbeiten, sind an elf ausgewählten Grundschulen in Kassel so genannte „SchubS“-Kräfte eingesetzt.

Das Projekt „SchubS - schulbezogene Sozialarbeit an Grundschulen“ der Stadt Kassel ist hessenweit einmalig. Finanziert wird es über das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundesministeriums für Arbeit. Das Projekt hat zunächst eine Laufzeit von 2011 bis Ende 2013. Neben der Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule zu unterstützen, informieren die SchubS-Kräfte das pädagogische Personal sowie die Eltern über Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz.Sie helfen bei Bedarf den Eltern, die nach dem Sozialgesetzbuch II und XII berechtigt sind, den Antrag zu stellen.

Das Projekt „SchubS“ ist Teil des Prozesses „Ganztag an Grundschulstandorten“, den Jugendamt und das Schulverwaltungsamt der Stadt Kassel bereits seit 2010 steuern. Ziel dabei ist, Bildung, Betreuung und Erziehung im Sinne eines erweiterten Förder- und Bildungsbegriffs zusammenzuführen und Chancengerechtigkeit zu fördern.

„Die SchubS-Kräfte sind alle gut an den Ganztagsstandorten angekommen“, erläutert Christa Ment, die seit April 2012 das Projekt „SchubS“ koordiniert. Die anfängliche Zurückhaltung von Seiten der Schulen und Horte legte sich schnell. Mittlerweile sind die zusätzlichen Mitarbeiterinnen für die Koordination des Ganztags an den Schulen sehr willkommen, erzählt die Diplom-Sozialpädagogin, die ihr Büro im dritten Stock des Kasseler Rathauses hat.

Die insgesamt elf Stellen für SchubS sind in 30 Stunden- oder Halbtags-Stellen aufgeteilt. Im Team der Schulbezogenen Sozialarbeit arbeiteten überwiegend Sozialpädagoginnen, aber auch ein Sozialpädagoge, eine Diplom-Pädagogin und eine Erziehungswissenschaftlerin.

Die zusätzlichen Kräfte verrichten weniger „klassische Schulsozialarbeit“, betont Christa Ment. Sie unterstützen vielmehr den Prozess des Zusammenwachsens vor allem zwischen Schule und Hort, sind also „AnschubSerinnen“ für notwendige Schritte, den Ganztag zu entwickeln. Sie haben die Strukturen im Blick und versuchen, diese so zu entwickeln, dass sie auch dann noch tragfähig sind, sollte die Bundesregierung die Finanzierung von Sozialarbeit im Rahmen von Bildung und Teilhabe tatsächlich Ende 2013 einstellen. „Sie übernehmen die Aufgaben bei der Entwicklung des Ganztags an den Schulen, für die im „Alltagsgeschäft“ von Unterricht und Nachmittagsgestaltung manchmal die Zeit fehlt“, erläutert die Diplom-Sozialpädagogin Christa Ment.

Den Prozess gemeinsam gestalten

SchubS-Kräfte kümmern sich um Strukturen, die es ermöglichen, dass Kinder möglichst nicht mehr durch die Maschen der individuellen Förderung rutschen. Als Beispiel nennt Christa Ment die Hausaufgaben. Die Lehrkraft gibt vormittags Hausaufgaben auf, die möglicherweise später mit der Erzieherin erledigt werden. Die Erzieherin nun bemerkt, welche Probleme die Kinder haben und ob es zu viele Aufgaben sind. Über genau diese Themen müssen beide, Lehrkraft und Hort-Erzieherin, miteinander kommunizieren und das nicht nur zufällig, sondern strukturell verankert.

Geklärt werden muss in diesem Fall zum Beispiel:  Wer widmet sich an welcher Stelle dem Kind, damit es den notwendigen Lernprozess durchlaufen kann? „Jedes Kind soll mindestens einmal am Tag individuell wahrgenommen werden“, schildert Christa Ment ein wichtiges Ziel. Der Beitrag von SchubS kann dabei unterschiedlich sein: die Schubs-Kräfte  arbeiten an einem pädagogischen Tag mit, zu dem Schul- und Hortleitung einladen, und bringen ihr sozialpädagogisches Fachwissen ein. Sie regen an, „Hausaufgaben“ zum Thema zu machen bis hin zur Gestaltung eines solchen Tages und der Zusammenfassung der Ergebnisse.

Die Hort-Erzieher und Erzieherinnen und die Lehrkräfte haben im Laufe der Jahre getrennt voneinander jeweils ein eigenes Selbstverständnis ihrer Arbeit und eigene pädagogische Konzepte entwickelt. Die einen legen Wert auf Zeit zum Spielen, Freiraum und kuschelige Momente für die Kinder. Für die anderen stehen das Lernen und die Vermittlung von Inhalten im Vordergrund, unverplante Zeit existiert in den Lehrplänen eher selten. Beide Seiten können jedoch viel voneinander lernen, meint Christ Ment. Doch dafür müssen sie miteinander kommunizieren, was angesichts der unterschiedlichen Arbeitszeiten nicht immer einfach ist.

Missverständnisse und Fragen klären

Das erlebt auch Sabine Dickel so. „An sich wollen beide Seiten den Ganztag, wir schätzen uns gegenseitig sehr – doch von den Arbeitszeiten her ist die Kommunikation schwierig“, sagt die Schulleiterin der Grundschule Bossental Kassel in Kassel. Im November 2011 startete die Grundschule in den Ganztag, doch existiert bereits seit 14 Jahren eine gute Zusammenarbeit mit Hort und Kindertagesstätte. Die Übergänge von der Schule in den Hort klappen gut. „Wir hätten gerne eine Erzieherin im Unterricht, doch ist das zur Zeit von der Struktur her nicht möglich“, stellt die Schulleiterin fest.

Die SchubS-Kraft  hat in der Grundschule eine wichtige Rolle für die Kommunikation übernommen. Sie organisiert und koordiniert die Terminplanung der beteiligten Gruppen. Sie ist vormittags im Lehrerzimmer zugegen, aber auch nachmittags im Hort, sie ist bei Konferenzen zum Ganztag ebenso dabei sie bei Dienstbesprechungen im Hort. So bekommt sie Missverständnisse mit, registriert eventuellen Unmut oder offene Fragen und kann diese Punkte zeitnah klären und ausräumen. Als ausgebildete Mediatorin „regelt sie viele Fragen oder Meinungsverschiedenheiten mit den betroffenen Personen“, sagt Sabine Dickel, „das hilft uns in dem Prozess.“ Denn es gilt, verschiedene Professionen zusammenzubringen.

Die SchubS-Kraft sorgt in der Grundschule im Bossental weiterhin dafür, dass wichtige Informationen bei allen Beteiligten ankommen. Die SchubS-Kraft sitzt mit der Koordinatorin des Ganztags der Schule in einem Zimmer, so dass eine für die andere einspringen kann und beide sich unproblematisch ergänzen und absprechen können. Die Konzepte für den Ganztag werden beispielsweise gemeinsam entwickelt. Und die SchubS-Kraft spricht mit allen Eltern, denen Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zustehen.

Die SchubS-Kräfte sind an den Standorten unterschiedlich eingesetzt, sagt Christa Ment. An einigen Schulen arbeiten sie zeitweise praktisch mit den Kindern, sind zuständig für die Betreuungszeit und arbeiten im Unterricht mit. Eine wichtige Aufgabe eint sie: die Moderation des Prozesses hin zum Ganztag und die Mitarbeit an der Entwicklung der Ganztagskonzepte der  jeweiligen Schule. Sie fragen, was die jeweiligen Akteure brauchen, damit der Weg zur Ganztagsschule gut bewältigt werden kann. Ziel ist, Institutionen miteinander ins Reden zu bringen. Stolperfallen sieht Christ Ment oft dort, „wo man denkt, etwas ganz sicher zu wissen.“ Der Prozess setzt Neugierde voraus und die Bereitschaft, einander zuzuhören.

Christa Ment begleitet ihrerseits die SchubS-Kräfte bei ihren Aufgaben. Sie klärt mit den Ganztagsschulen, welche Aufgaben die zusätzlichen Kräfte erfüllen sollen. Sie bezieht übergeordnete Stellen wie das Staatliche Schulamt und die Fachberatung der Kindertagesstätten ein, wenn dies nötig ist, und hält den Kontakt dorthin. Regelmäßige Treffen der SchubS-Kräfte ermöglichen einen Austausch der Erfahrungen und die Klärung von Fragen und Problemen. Christa Ment fungiert wiederum als Verbindung zu der städtischen Steuerungsgruppe. „Ich versuche Wege frei zu machen auf übergeordneter Stelle für die Arbeit vor Ort“, fasst die Diplom-Sozialpädagogin ihre Tätigkeit zusammen.

Christa Ment ist als Koordinatorin für die inhaltliche Konzeption zuständig. Die administrativen Aufgaben wie Einstellung und Bezahlung der SchubS-Kräfte, Evaluation, Controlling und Qualitätsmanagement hat als Projektpartner die StadtBild gGmbH übernommen, eine hundertprozentige Tochter der gemeinnützigen Gesellschaft für Aus- und Fortbildung Jafka, die ihrerseits eine hundertprozentige Tochter der Stadt Kassel ist.

Bildung und Teilhabe ermöglichen

Christa Ment hat ihren Arbeitsplatz im Rathaus. Die kurzen Wege zum Sozial- oder Jugendamt erweisen sich auch für die einzelnen SchubS-Kräfte an den Schulen als Vorteil, wenn Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket vermittelt werden. Die „SchubSerinnen“ setzen sich mit den Eltern zusammen, helfen bei den Anträgen und stellen fest, welche Kinder für Leistungen aus diesem Paket des Bundesministeriums in Frage kommen. Ihr Wissen über Antragswege kommt den Schulen und den Eltern zugute. Sie informieren sowohl Eltern als auch Lehrkräfte über die Möglichkeiten dieser Förderung.

„Wenn die Systeme und Strukturen bei den Ganztagsangeboten gut laufen, ist auch die Familie entlastet“, schildert Christa Ment einen Vorteil für Kinder und Familien aus der Arbeit des SchubS-Programms. Jedes Kind kann sein Potenzial ausschöpfen, egal, aus welcher Familie es kommt, sagt die SchubS-Koordinatorin. Für Christa Ment wäre es ein gutes Ergebnis des Modellprogramms, wenn am Ende der Erfolg nicht nur „gefühlt“ ist, sondern mit Hilfe der wissenschafltichen Begleitung durch "Zoom - Gesellschaft für prospektive Entwicklung e.V." auch benannt werden kann. Und sie wünscht sich, dass die Beteiligten die Einführung des Ganztags nicht als ein lästiges Muss sehen, sondern als eine Chance für eine veränderte Lernkultur.

Autorin: Jacqueline Engelke, vitamin be Kommunikation
Fotos: Christa Ment
Datum: 11. Februar 2013
© www.hessen.ganztaegig-lernen.de

Kommunales Rahmenkonzept für die Zusammenarbeit der ganztägig arbeitenden Grundschulen in Kassel mit dem Schul- und Jugendhilfeträger sowie außerschulischen Kooperationspartnern

"Ganztag an Grundschulstandorten"
Artikel "Betreuung bis in den Nachmittag: Kassel ist ganztags vorn", HNA, 19.02.2013

Weitere Informationen und Links:

Ganztag an Grundschulstandorten – „SchubS" begleitet Prozess
Begleitfilm "Ganztag an Grundschulstandorten in Kassel" von Erwin Wiedergrüßer
Ganztag an Grundschulstandorten Kassel
Grundschule Bossental Kassel
StadtBild gGmbH
Zoom - Gesellschaft für prospektive Entwicklung e.V.

Kontakt:

Christa Ment

Stadt Kassel
Schulverwaltungsamt
- Schulentwicklungsplanung und IT in Kasseler Schulen -
34112 Kassel

Tel.: 0561 / 787-4099
Fax: 0561 / 787-2215
E-Mail: Christa.Ment@kassel.de oder schulverwaltungsamt@kassel.de