Gesundheitsbotschafter an der Augustinerschule in Friedberg sorgen für Bewegung im Schulalltag
Ein Bericht von Barbara Zeizinger
Ungefähr um 12.20 Uhr steht dienstags bei den Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Klassen der Augustinerschule „Blind Balance“ auf dem Lehrplan. Dann stellen sie sich auf ein Bein, um mit dem anderen Kreise oder Achten in die Luft zu schreiben. Montags lautet die Aufgabe zwei Minuten lang einen Radiergummi von einem Fuß auf den anderen zu balancieren. Natürlich ohne ihn fallen zu lassen. Weitere Übungen heißen „Guten Morgen liebes Knie“, „Tretboot fahren“ oder „Der Fahrstuhl“.
Sie alle gehören zu dem Programm „Bewegung und Wahrnehmung“. Dieser Teilbereich von „Gesundheitsfördernder Schule in Hessen“ des Hessischen Kultusministeriums (HKM) ist darauf ausgerichtet, das Körper- und Gleichgewichtsgefühl der Jugendlichen zu verbessern. Denn das HKM hat in einer wissenschaftlich begleiteten Studie aus den Jahren 2010-2012 festgestellt, dass regelmäßiges Gleichgewichtstraining im Schulalltag schulische Lernerfolge in Deutsch und Mathematik nachweislich verbessert und dass erschreckend viele Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten haben, Gleichgewichtsreize zu verarbeiten. Verantwortlich für das Programm ist die Zentrale Fortbildungseinrichtung für Sportlehrkräfte des Landes (ZFS).
Förderung aller Schülerinnen und Schüler
Die Augustinerschule ist ein Gymnasium mit langer Tradition. Schon 1543 wurde sie als Lateinschule der Stadt Friedberg gegründet. Die hatte dafür dem Franziskanerorden das sogenannte Barfüßerkloster abgekauft. Achtunddreißig Jahre später zog die Schule in das Augustinerkloster um, was der Schule ihren Namen gab.
Heute ist die Schule unter der Leitung von Schulleiter Martin Göbler ein modernes Gymnasium mit dem Schwerpunkt Musik und Bilingualem Zweig. 2008 stellte das Kultusministerium der Augustinerschule das Zertifikat für die Förderung Hochbegabter aus. Das Schulprofil ist jedoch auf die „vielfältige Förderung aller Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung ihrer individuellen Möglichkeiten“ ausgerichtet.
Bewegungsplan für fünfte und sechste Klassen
Daher wird seit zwei Jahren Bewegung in der Augustinerschule großgeschrieben. Unterstützung holt sie sich dabei von der Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer Stiftung in Bochum, die in Kooperation mit dem HKM Schülerinnen und Schüler der Klassen 8-11 zu „Gesundheitsbotschaftern“ ausbildet. Dort lernen sie Gesundheitsspiele, die Jugendliche anregen sollen, sich nachhaltig mit Ernährung, Bewegung und Gleichgewicht zu beschäftigen.
Neunzehn Schülerinnen und Schüler haben momentan diese Ausbildung durchlaufen, das heißt, sie sind an der Augustinerschule dafür verantwortlich, ihre neuerworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten an jeweils sechs Schülerinnen und Schülern der anderen Klassen weiterzugeben. So haben sie einen Bewegungsplan entwickelt und in der Peer-to-Peer-Methode diese jungen Leute zu „Bewegungsmanagern“ ausgebildet. Da der Unterricht hauptsächlich in Doppelstunden organisiert ist, finden diese kleinen Bewegungsspiele regelmäßig in deren Mitte statt.
Eine Gruppe, auf die man sich verlassen kann
Die Gesundheitsbotschafterinnen und -botschafter sind ein wichtiger Bestandteil von Schule und Gesundheit, der Bereich in der Schule, der „Sucht- und Gewaltprävention“, „Bewegung und Wahrnehmung“, „Ernährung und Verbraucherbildung“, „Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung“ sowie „Lehrergesundheit“ beinhaltet.
Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten sich als Gesundheitsbotschafterin oder Gesundheitsbotschafter der Augustinerschule zu engagieren. Wichtig ist hierbei täglich Bewegung in den Schulalltag zu integrieren und der Schulgemeinde die Bedeutung von Gesundheit zu vermitteln, da immer mehr Kinder auf Grund mangelnder Bewegung und ungesunder Ernährung Aufmerksamkeitsdefizite, Allergien, Stresssymptome und Gleichgewichtsstörungen aufweisen.
Auch außerhalb der Schule, wie z.B. auf dem Hessentag, werden Projekte von den Gesundheitsbotschafterinnen und -botschaftern vorgestellt und die Augustinerschule repräsentiert.
Tatkräftige Unterstützung erhalten die Schülerinnen und Schüler hierbei von Frau von Einem und Frau Langhans-Timm, die froh sind, „dass man immer eine engagierte Gruppe hat, auf die man sich verlassen kann“.
Was hat die Schule mit diesem Programm inzwischen erreicht:
- Gesundheitsbotschafterinnen und -botschafter betreuten Grundschülerinnen und Grundschülerer sowie deren Lehrkräfte bei den Hessischen Gesundheitsspielen in Wetzlar. Auch beim Kindergesundheitstag der Stadt Homburg waren sie unterstützend dabei.
- Einführung eines festen Bewegungstages der achten Klassen. Vereine kommen in die Schule oder die Schülerinnen und Schüler besuchen die Vereine an ihrem Standort.
- Die Gesundheitsbotschafterinnen und -botschafter warben mit Obst und einem Thementisch für gesunde Ernährung.
- Am Tag der Offenen Tür boten die Gesundheitsbotschafterinnen und -botschafter Grundschülerinnen und Grundschülern, die die Schule kennenlernen wollten, einen kleinen Gesundheitscheck zur Seh- und Hörfähigkeit sowie zur Kontrolle des Gleichgewichtssinns an.
- Ein neues Konzept für die Bundesjungendspiele mit spielerischen Sportübungen wurde erstellt.
- Bewegte Pausen wurden eingeführt und sollen konzeptionell weiterentwickelt werden.
Wie wichtig auch der Schulleitung ihre „Gesunde Schule“ ist, sieht man daran, dass die unterschiedlichen Bereiche von Schule und Gesundheit zum Teil schon fest im Schulalltag verankert sind. Im Rahmen der Wanderwoche sind neben Projekttagen zur Sucht- und Gewaltprävention, Verkehrserziehung und Ernährung auch Sport und Bewegung verbindlich vorgesehen. So gibt es z.B. für die Klassen 6 und 7 einen festen Sporttuniertag und für die Klasse 8 den Bewegungstag.
Die PRIT-Methode: Praxis – Reflektion – Input - Transfer
Es ist Freitagnachmittag, 14.00 Uhr. Wir befinden uns in einem Klassenraum. Mehr als dreißig Schülerinnen und Schüler sitzen dichtgedrängt in einem Kreis. Die Augustinerschule ist Gastgeberin bei einer Fortbildung für Gesundheitsbotschafter. Drei weitere Schulen sind vertreten: Die Gesamtschulen „Philip-Reis-Schule“ (Friedrichsdorf) und „Henry Benrath-Schule“ (Friedberg) sowie die Haupt- und Realschule „Geschwister-Scholl Schule“ (Assenheim).
Sebastian Klaar von der Zentralen Fortbildungseinrichtung für Sportlehrkräfte ist zusammen mit der Referentin Nicole Kablitz gekommen. Sie erklärt das Thema der dreistündigen Fortbildung: „Wie wird aus einer Gruppe ein Team“, wobei der Schwerpunkt auf der Praxis, d.h. auf konkreten Übungen liege.
In der Turnhalle wird bald deutlich, inwieweit Spiele den Teamgeist fördern können. Zum Beispiel, wenn man nach einer Lösung dafür suchen muss, wie eine Gruppe am schnellsten durch ein zusammengebundenes Band schlüpfen kann oder wie dreißig Personen eine Plane umdrehen können, auf der sie gleichzeitig stehen. Die Jugendlichen sind eifrig bei der Sache, es wird viel gesprochen und gelacht. „Ich finde es schön, dass man Gesundheit und Sport mit Spaß und Schule verbinden kann“, hatte die Schülerin Nicole auf die Frage geantwortet, weshalb sie sich als Gesundheitsbotschafterin engagiere. Und der Nachmittag vermittelt ein Gefühl dafür, was sie damit gemeint hat.
Natürlich sind die Spiele kein Selbstzweck. Nicole Kablitz legt großen Wert darauf, dass die Schülerinnen und Schüler vor jedem Spiel ihr Vorgehen gemeinsam planen und anschließend reflektieren. „Wir haben uns zugehört und uns gleich auf eine Sache geeinigt“, sagt ein Junge, dessen Gruppe eine Übung erfolgreich absolviert hat. Ein anderer konstatiert „Wir sind noch nicht so richtig ein Team, aber auf dem Weg eines zu werden.“ Ein Team, das versteht sich ja von selbst, kann in vielen Bereichen nützlich sein. Innerhalb eines Teams, so Nicole Kablitz, sei es wichtig, sich zu vertrauen. So wie bei dem Spiel, bei dem man sich zwischen zwei Partnern fallen lässt, im Vertrauen darauf, dass sie einen auffangen.
Auch Lehrer sollten die Übungen kennen
Zurück im Klassenraum überlegen die Jugendlichen, wie sie das Gelernte an ihren Schulen umsetzen können. Sie schreiben ihre Ideen auf Plakate und auf dem der Augustinerschule steht unter anderem „Bewegungstag und „Teamtraining für Klassen“. Ein paar Schülerinnen und Schüler erklären sich bereit, einen Flyer und ein Handout zu erstellen. Alle finden es wichtig, auch dem Lehrerkollegium die Übungen zu zeigen.
„Es gibt kein Richtig oder Falsch bei diesen Spielen“, gibt Nicole Kablitz den Jugendlichen noch mit auf den Weg. Wichtig sei es, bei einem Fehler nicht gleich aufzugeben, sondern Lösungen zu finden.
Wie in der Mathematik, könnte man hinzufügen.
Weitere Informationen:
Autorin: Barbara Zeizinger
Fotos: Augustinerschule Friedberg
Datum: 05.10.2013
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