Eine Gemeinschaft macht Schule – Ganztagsschule

Foto GS Seckmauern

Ein Besuch bei der Grundschule Seckmauern (2014)

Etwas mühsam ist der Aufstieg auf den Sandberg schon, der sich inmitten von Seckmauern erhebt. Oben hat sich die ganze Stadt versammelt, die Gemeindehalle ist gut gefüllt. Es riecht nach Gegrilltem und die Kinder toben zwischen den Tischen. Grund des Zusammenkommens ist das 50-jährige Bestehen der Grundschule Seckmauern, deren Gebäude gleich nebenan liegt. Außerdem ist der Festtag gleichzeitig der offizielle Start des neuen Ganztagsangebotes der Schule. Am Morgen noch gab es einen Festgottesdienst, gemeinsam zog die Gemeinde dann in Richtung Schule. Man merkt schnell, die Bevölkerung, der Ort und die Schule, das gehört hier zusammen.

Seckmauern liegt im östlichen Odenwald, direkt an der Grenze zu Bayern und nicht weit vom Main, der hinter Miltenberg ein Stück nach Norden fließt. Der beschauliche Ortsteil der Gemeinde Lützelbach mit seinem 1.700 Einwohnern bietet dem Besucher ein bekanntes Bild: Eine Straße führt mitten hindurch, es gibt einen Bäcker, einen Metzger, die Kirchtürme und sonst – so könnte man zunächst denken – nicht viel.

Doch Seckmauern bietet mehr. Über zwanzig Vereine sind hier ansässig und „die Seckmäurer feiern auch gern“, wie eine Helferin am Eingang lächelnd betont. Und sie haben ein ausgeprägtes Verständnis von Gemeinschaft. Etwas, das sich nun auch deutlich im Angebot der örtlichen Grundschule zeigt.

Schulleiterin Eva-Maria Arnold hat am Festtag viel zu tun. Sie hält die Festrede, koordiniert die vielen Auftritte und begrüßt die Gäste. Kolleginnen und Kollegen eilen durch die Halle, ihre eigenen Kinder tollen mit den Schulkindern herum. Dennoch bleibt die Schulleiterin gelassen und erzählt, wie es dazu kam, dass die Grundschule Seckmauern jetzt ein kostenloses Ganztagsprogramm anbietet. Von halb acht bis fünfzehn Uhr. Jeden Tag.

Das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheinen mag. Die Richtlinie für ganztägig arbeitende Schulen in Hessen sieht lediglich vor: Schulen im Profil 1 müssen an drei Tagen in der Woche ein Angebot von sieben Zeitstunden anbieten. Dazu eine Hausaufgabenbetreuung und ein Mittagsessen. Was die Grundschule Seckmauern anbietet, ist, unschwer zu erkennen, deutlich mehr. Das hat unter anderem mit dem Engagement der Bewohner Seckmauerns zu tun, erklärt Eva-Maria Arnold. Die hätten, auf eine mögliche Zusammenarbeit an der Schule angesprochen, schnell klar gemacht: „Da machen wir auch was!“

Diese Reaktion ist für die Schulleiterin auch der Lohn der Arbeit, das Konzept der Schule in vielen Sitzungen bei Vereinen, Kirchen und Verbänden vorzustellen. Die arbeiten nun mit am Angebot der Schule und betreuen den Schulnachmittag anteilig: montags die katholische Kirche, dienstags der Sportverein TSV Seckmauern, mittwochs die freiwillige Feuerwehr und die Dorfgemeinschaft, donnerstags die evangelische Kirche. Alle machen das ehrenamtlich. Natürlich auch im Sinne der eigenen Sache, aber vor allem für die Kinder.

Ohne ein Kollegium, das den Wechsel von der Halbtags- zur Ganztagsschule mitgehen will, betont Frau Arnold, geht es allerdings nicht. Die Kolleginnen und Kollegen hätten die Idee einer Ganztagsgrundschule in Seckmauern von Beginn an unterstützt. Sie sind inzwischen als fachkundige Ansprechpartner in der Hausaufgabenbetreuung und diversen AGs nach dem Unterricht aktiv.

Zu diesem Zeitpunkt haben die Kinder bereits zu Mittag gegessen. Ohne dabei die für Mensen üblichen Tabletts zu schleppen und vorher in der Schlange zu stehen, sondern an Tischgruppen, in familienähnlicher Struktur, gemeinsam mit dem bei der Kommunalgemeinde angestellten Fachpersonal. Das Essen ist ein wichtiges Thema, wie Eva-Maria Arnold bei ihrer Präsentation betont: Ein gemeinsames Mittagessen bedeutet den Menschen viel im ländlichen Raum. Die Kinder bekommen es häufig noch zu Hause frisch gekocht. Eine normale Mensa stellt für Eltern daher keine echte Alternative dar. Ein pädagogisches Konzept, das die Freude am gemeinsamen Essen in die Schule verlängert, allerdings schon.

Foto GS Seckmauern Mittagessen

Dass die Kommune Lützelbach das Personalmanagement finanziert und für die Verwaltung nicht die möglichen 5% des Sachkostenteils einbehält, ist ein weiterer Gewinn für die Schule. Doch auch die Stadt profitiert: Die Schule ist mit ihrem Ganztagskonzept ein echter Standortvorteil, weil sie die kleine Gemeinde von anderen abhebt. In Zeiten der Abwanderung aus dem ländlichen Raum entsteht auf diese Weise ein Argument für Leben und Lernen in Seckmauern. Das weiß auch Bürgermeister Uwe Olt, der in seiner Ansprache die Zusammenarbeit am Angebot der Schule betont.

Die Entwicklung der Schule, von der Idee des Ganztags bis zur heutigen Eröffnung, war jedoch nicht einfach. Große Umbauten wurden vom Schulträger durchgeführt. Das alte Lehrerzimmer musste dem Essensraum weichen und parallel musste ein Konzept für eine Ganztagsschule entwickelt werden, die von Kindern, Eltern und vom Kollegium angenommen wird. Unterstützung erhielt die Schule dabei von Irmgard Gottmann, Fachberaterin für Ganztagsschulen am Staatlichen Schulamt in Heppenheim. Sie stand bei der Entwicklung mit Rat und Tat zur Seite. Ihre Erfahrungen waren für die Schule wichtig und hilfreich. So konnten passgenaue Lösungen gefunden und Konzepte auf die Bedürfnisse vor Ort übertragen werden.

Irmgard Gottmann profitiert dabei unter anderem von den regelmäßigen Fortbildungen, die die Fachberateungen durch die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen erhalten. So hatte sie die Fortbildung zum Thema Bildungslandschaften im Hinterkopf, als sie zum Erstgespräch an die Schule kam und Bürgermeister Olt sie gemeinsam mit Frau Arnold erwartete. „Im Zuge dieser Beratung wurde deutlich, dass sich hier die Möglichkeit bot, den Schatz einer kommunalen Bildungslandschaft zu heben“, so Irmgard Gottmann.

Im Anschluss an dieses Gespräch ließen die Schulleiterin und der Bürgermeister keine Zeit verstreichen. Sie suchten sofort das Gespräch mit dem Schulträger. Schon beim nächsten Treffen, bei dem es unter anderem um die Klärung eines potentiellen Trägers für das Ganztagsangebot ging, saßen neben Frau Arnold am runden Tisch: Frau Vierhaus und Herr Weyrauch vom Schulträger Odenwaldkreis, Herr Olt und sein Sachbearbeiter, Herr Weihrauch, von der Kommune Lützelbach, Pfarrer Jacobi von der evangelischen Kirchengemeinde sowie Herr Rippert als Ganztags-Generalist am Staatlichen Schulamt gemeinsam mit Frau Gottmann als Fachberaterin. So fing im November 2011 alles an. Und dieser rasche, aber konsequente Start ermöglichte einen erfolgreichen – von allen Beteiligten getragenen – Entwicklungsprozess bis zum offiziellen Beginn des Ganztagsangebots am 29. September 2013.

An der Grundschule Seckmauern zeigt sich, wie Schulentwicklung gelingen kann, wenn sich die Schule der Gemeinschaft öffnet und gleichzeitig die Akteure und Institutionen vor Ort ihre Rolle als Partner der Schule wahrnehmen. Gerade im ländlichen Raum, wo die Auswahl an möglichen Kooperationspartnern und Trägern nicht groß ist, ist es wichtig, die vorhandenen Strukturen zu nutzen. Die Grundschule Seckmauern zeigt auch: Ein gut geplantes Konzept ist für die Schule auf der Suche nach Unterstützung die beste Werbung. Und eine gute Schule das beste Aushängeschild einer Stadt.

Autor: Michael Schmitt, Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hessen
Fotos: Grundschule Seckmauern
Datum: 18. Februar 2014
© www.hessen.ganztaegig-lernen.de

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